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Die protosinaitische Schrift (auch proto-kanaanäische Schrift oder bildhaft-kanaanäische Alphabetschrift) ist vermutlich ein Vorläufer der
phönizischenKonsonantenschrift.[1][2]
Mit der Entdeckung der
Wadi-el-Hol-Inschriften, in der Nähe des Nils unweit von
Luxor, ergeben sich Hinweise darauf, dass die protosinaitische Schrift aus dem
alten Ägypten stammt. Die Entwicklung der protosinaitischen Schrift und der verschiedenen proto-kanaanitischen Schriften während der
Bronzezeit basiert aber nur auf lückenhaften epigraphischen Beweisen.[3] Erst mit dem
Zusammenbruch der Bronzezeit und dem Aufstieg neuer semitischer Königreiche in der Levante wird die proto-kanaanitische Schrift eindeutig belegt (Byblos-Inschriften 10.–8. Jahrhundert v. Chr.,
Khirbet-Qeiyafa-Inschrift ca. 10. Jahrhundert v. Chr.).[4]
Die von kanaanitischen Wanderarbeitern entwickelten schlichten
Schriftzeichen aus der
FundstätteSerabit el-Chadim sind somit die frühesten Dokumente einer
Alphabetschrift mit 22–24 Buchstaben. Aus ihr entwickelte sich die phönizische Schrift, von der die
hebräische, die
griechische, die
lateinische, die
arabische und die
kyrillische Schrift abgeleitet sind. Es wird auf Grundlage dieser Funde angenommen, dass die Alphabetschrift im 19. Jahrhundert v. Chr. als Übertragung der komplizierten
ägyptischen Hieroglyphen in einfache
kanaanäische Lautzeichen entstand. Die Schrift wird zur Unterscheidung von der jüngeren sogenannten
Sinaischriftprotosinaitisch genannt. Verwandte Schriftzeichen sind nordwestlich von
Luxor im Wadi el-Hol gefunden worden und werden als
Wadi-el-Hol-Schrift bezeichnet.[5]
1905 entdeckte der britische Ägyptologe
Flinders Petrie in den altägyptischen Minenstätten
Serabit el-Chadim,
Wadi Maghara und Bir Nasib Inschriften in einer noch unbekannten Schrift, darunter eine kleine Sphinx-Gestalt mit Hieroglyphen und darunter wiederum für ihn damals unbekannte Zeichen. Petrie vermutete, dass es sich um eine
Alphabetschrift handelt. 1915 gelang dem britischen Ägyptologen
Alan Gardiner die Entzifferung der Schriftzeichen.[6]
Insgesamt ist die Schrift in einem kleinen
Korpus von Inschriften belegt, die in Serabit el-Chadim auf der
Sinai-Halbinsel aus der
mittleren Bronzezeit (2100 bis 1500 v. Chr.) stammten.[7]
Das aus der protosinaitischen Schrift hervorgegangene
phönizische Alphabet ist die Grundlage des
aramäischen, des
hebräischen und des
griechischen Alphabets. Auch die
ugaritische Schrift geht wahrscheinlich dem Konzept nach auf diese Schrift zurück. Aus der aramäischen Schrift sind die verschiedenen
indischen Schriften und die
arabische Schrift hervorgegangen. Das
griechische Alphabet entstand aus dem phönizischen Alphabet und war die Grundlage des
lateinischen sowie des
kyrillischen Alphabets. Der überwiegende Teil der heute verwendeten Alphabete geht also auf die protosinaitische Schrift zurück. Die ältesten archäologischen Funde des phönizischen Alphabets datieren um 1100 v. Chr.
Mit Stand Anfang 2020 liegt dem
Unicode-Konsortium ein Diskussionspapier zur
Zeichenkodierung in Unicode vor,[8] in dem diverse Fragen behandelt werden, die vor einer tatsächlichen Aufnahme der Schrift in Unicode noch geklärt werden müssten.
Alan H. Gardiner, Thomas E. Peet: The Inscriptions of Sinai I. London 1917 (2nd ed. rev. & augmented by Jaroslav Černý, London 1952).
Alan H. Gardiner, Thomas E. Peet,
Jaroslav Černý: The Inscriptions of Sinai II. London 1955.
Alan H. Gardiner: The Egyptian Origin of the Semitic Alphabet. In: Journal of Egyptian Archaeology. Band 3, 1916, S. 1–16.
Orly Goldwasser: Canaanites Reading Hieroglyphs. Horus is Hathor? – The Invention of the Alphabet in Sinai. In: Ägypten und Levante. Band 16, 2006, S. 121–160.
Gordon J. Hamilton: The Origins of the West Semitic Alphabet in Egyptian Scripts (= Catholic Biblical Quarterly, Monograph Series 40). Washington 2006,
ISBN 0-915170-40-X.
Ludwig D. Morenz: Ägypten und die Geburt der Alphabetschrift (= Archäologie, Inschriften und Denkmäler Altägyptens. Band 3). Marie Leidorf, Rahden (Westfalen) 2016,
ISBN 978-3-86757-533-1.
Ludwig D. Morenz, David Sabel: Sinai und Alphabetschrift. Die frühesten alphabetischen Inschriften und ihr kanaanäisch-ägyptischer Entstehungshorizont im Zweiten Jahrtausend v. Chr. (= Studia Sinaitica. Band 3). EB-Verlag Dr. Brandt, Berlin [2019],
ISBN 978-3-86893-252-2.
Paul D. LeBlanc: Deciphering the Proto-Sinaitic Script. Subclass Press, Ottawa 2017,
ISBN 978-0-9952844-0-1, Deciphering the Serabit el-Khadim Inscriptions from Sinai, S.99–190 (englisch,
online).
↑Ludwig D. Morenz: Die Genese der Alphabetschrift: Ein Markstein ägyptisch-kanaanäischer Kulturkontakte (Wahrnehmungen Und Spuren Altagyptens). Ergon (Nomos Verlagsgesellschaft), Würzburg 2011,
ISBN 3-89913-839-2.
↑Thomas Staubli: Einführung ins AT (II): Die Bücher der Geschichte.[1], Textauszug Archäologische Epochen der Südlevante. S. 2–3 auf admin.unifr.ch
[2]
↑Orly Goldwasser: How the Alphabet Was Born from Hieroglyphs. Biblical Archaeology Review. Washington, DC: Biblical Archaeology Society. (Mar–Apr 2010) 36 (1). ISSN 0098-9444
↑Frank Simons: Proto-Sinaitic – Progenitor of the Alphabet. Rosetta (2011) 9: 16–40, auf rosetta.bham.ac.uk
[3]
↑Hans-Günter Semsek: Ägypten und Sinai. Pharaonische Tempel und islamische Traditionen. 3. Auflage. DuMont, Ostfildern 2011,
ISBN 978-3-7701-6619-0, S. 390.
↑Parul Jain: Sinaitic inscriptions, ancient writing. Encyclopedia Britannica.
(britannica.com)