Graphen der Sinusfunktion (rot) und der Kosinusfunktion (blau). Beide Funktionen haben eine
Periode von

und nehmen Werte von −1 bis 1 an.
Sinus- und Kosinusfunktion (auch Cosinusfunktion) sind
elementare mathematische Funktionen.
Vor
Tangens und Kotangens,
Sekans und Kosekans bilden sie die wichtigsten
trigonometrischen Funktionen. Sinus und Kosinus werden unter anderem in der Geometrie für
Dreiecksberechnungen in der ebenen und
sphärischen
Trigonometrie benötigt. Auch in der
Analysis sind sie wichtig.
Wellen wie
Schallwellen,
Wasserwellen und
elektromagnetische Wellen lassen sich als Zusammensetzung aus Sinus- und Kosinuswellen beschreiben, sodass die Funktionen auch in der
Physik als
harmonische Schwingungen allgegenwärtig sind.
Herkunft des Namens
Die lateinische Bezeichnung Sinus „Bogen, Krümmung, Busen“ für diesen mathematischen Begriff wählte
Gerhard von Cremona 1175
[1] als Übersetzung der arabischen Bezeichnung gaib oder jiba (جيب) „Tasche, Kleiderfalte“, selbst entlehnt von
Sanskrit jiva „Bogensehne“ indischer Mathematiker.
Die Bezeichnung „Cosinus“ ergibt sich aus complementi sinus, also Sinus des
Komplementärwinkels. Diese Bezeichnung wurde zuerst in den umfangreichen trigonometrischen Tabellen verwendet, die von
Georg von Peuerbach und seinem Schüler
Regiomontanus erstellt wurden.
[2]
Geometrische Definition
Definition am rechtwinkligen Dreieck
Dreieck mit den Punkten ABC und den gegenüberliegenden Seiten a, b, c
Dreieck ABC mit einem rechten Winkel

in C. (Benennung von An- und Gegenkathete unter der Annahme, dass

der betrachtete Winkel ist.)
Alle ebenen, zueinander
ähnlichen Dreiecke haben gleiche
Winkel und
gleiche Längenverhältnisse der Seiten.
Diese Eigenschaft wird benutzt, um Berechnungen am
rechtwinkligen Dreieck durchzuführen. Sind nämlich die Längenverhältnisse im rechtwinkligen Dreieck bekannt, lassen sich die
Maße von Winkeln und die
Längen von Seiten berechnen. Deshalb haben die Längenverhältnisse im rechtwinkligen Dreieck auch besondere Namen.
Die Längenverhältnisse der drei Seiten im rechtwinkligen Dreieck sind nur vom Maß der beiden
spitzen Winkel abhängig. Denn die Innenwinkelsumme in jedem Dreieck beträgt 180°. Und weil im rechtwinkligen Dreieck ein Winkel, nämlich der rechte Winkel, mit 90° bekannt ist, müssen die beiden anderen Winkel in der Summe ebenfalls 90° ergeben. Deswegen wird das Maß eines dieser Winkel durch das Maß des anderen Winkels bereits festgelegt. Aufgrund der
Dreieckssätze (z. B. WSW) hängen die Längenverhältnisse im rechtwinkligen Dreieck nur noch vom Maß eines der beiden spitzen Winkel ab.
Deshalb werden die Längenverhältnisse in Abhängigkeit eines der beiden spitzen Winkel wie folgt definiert:
Der Sinus eines
Winkels ist das Verhältnis der Länge der
Gegenkathete (
Kathete, die dem Winkel gegenüberliegt) zur Länge der
Hypotenuse (Seite gegenüber dem rechten Winkel).

Der Kosinus ist das Verhältnis der Länge der Ankathete (das ist jene Kathete, die einen Schenkel des Winkels bildet) zur Länge der Hypotenuse.

Bei den für Dreiecke üblichen Bezeichnungen der Größen (siehe Abbildung) gilt hier:

Da die Hypotenuse die längste Seite eines Dreiecks ist (denn sie liegt dem größten Winkel, also dem rechten Winkel, gegenüber), gelten die Ungleichungen
und
.
Wird statt von α von dem gegenüberliegenden Winkel β ausgegangen, so wechseln beide Katheten ihre Rolle, die Ankathete von α wird zur Gegenkathete von β und die Gegenkathete von α bildet nun die Ankathete von β und es gilt:


Da im rechtwinkligen Dreieck
gilt, folgt:

und

Auf dieser Beziehung beruht auch die Bezeichnung Kosinus als Sinus des
Komplementärwinkels.
Aus dem
Satz des Pythagoras lässt sich die Beziehung („
trigonometrischer Pythagoras“) ableiten:

Im rechtwinkligen Dreieck sind Sinus und Kosinus nur für Winkel zwischen 0 und 90 Grad definiert. Für beliebige Winkel wird der Wert der Sinus-Funktion als
-Koordinate und der Wert der Kosinus-Funktion als
-Koordinate eines Punktes am
Einheitskreis (
siehe unten) definiert. Hier ist es üblich, den Wert, auf den die Funktion angewendet wird (hier: den Winkel), als Argument zu bezeichnen. Dies betrifft insbesondere die Winkelfunktionen und die
komplexe Exponentialfunktion (
siehe unten).
Definition am Einheitskreis
Definition des Sinus und Kosinus am Einheitskreis
Trigonometrische Funktionen am Einheitskreis im ersten Quadranten
Im rechtwinkligen Dreieck ist der Winkel zwischen Hypotenuse und Kathete nur für Werte von 0 bis 90 Grad definiert. Für eine allgemeine Definition wird ein Punkt
mit den
Koordinaten
auf dem
Einheitskreis betrachtet, hier gilt
. Die positive
-Achse schließt mit dem
Ortsvektor von
einen Winkel
ein.
Der Koordinatenursprung
, der Punkt
auf der
-Achse und der Punkt
bilden ein rechtwinkliges Dreieck. Die Länge der Hypotenuse beträgt
. Die Ankathete des Winkels
ist die Strecke zwischen
und
und hat die Länge
. Es gilt:
.
Die Gegenkathete des Winkels
ist die Strecke zwischen
und
und hat die Länge
. Somit ist:
.
Daraus folgt durch den
Strahlensatz die Definition des
Tangens:
.
Die
-Koordinate eines Punktes im ersten
Quadranten des Einheitskreises ist also der Sinus des Winkels zwischen seinem Ortsvektor und der
-Achse, während die
-Koordinate der Kosinus des Winkels ist. Die Fortsetzung über den ersten Quadranten hinaus ergibt eine Definition von Sinus und Kosinus für beliebige Winkel.
Die Umkehrung der Sinus-/Kosinusfunktion ist nicht eindeutig. Zu jeder Zahl
zwischen −1 und 1 (
) gibt es schon zwischen 0° und 360° (
) immer genau zwei Winkel. Symmetrien der Winkelfunktionen erkennt man an folgenden Beziehungen:
Punktsymmetrien:

und
,
Achsensymmetrien:

und
.
Der Sinus ist also eine
ungerade Funktion, der Kosinus eine
gerade.
Sinus und Kosinus sind
periodische Funktionen mit der Periode 360 Grad. (Man kann einen Winkel von beispielsweise 365° nicht von einem Winkel von 5° unterscheiden. Aber der eine beschreibt eine Drehbewegung von reichlich einer Umdrehung, der andere eine sehr kleine Drehbewegung ‒ nur eine zweiundsiebzigstel Umdrehung.) Also gilt auch

sowie
,
wobei
eine beliebige ganze Zahl ist. Es gibt also nicht nur die Symmetrien zu
(cos) bzw.
(sin) und zu
(sin) bzw.
(cos), sondern unendlich viele Symmetrieachsen und Symmetriezentren für beide Funktionen.
Die Entstehung der Sinus- und Kosinusfunktion aus der Drehbewegung eines Winkelschenkels beginnend bei der
-Achse veranschaulicht folgende Animation. Der Winkel wird im
Bogenmaß gemessen. Ein Winkel von
entspricht einem Bogenmaß von
.
Analytische Definition
Graph der Sinusfunktion

Graph der Kosinusfunktion

Sinus und Kosinus können auch auf einer
axiomatischen Basis behandelt werden; dieser
formalere Zugang spielt auch in der
Analysis eine Rolle. Die analytische Definition erlaubt zusätzlich die Erweiterung auf
komplexe Argumente. Sinus und Kosinus als
komplexwertige Funktion aufgefasst sind
holomorph und
surjektiv.
Motivation durch Taylorreihen
Diese Animation illustriert die Definition der Sinusfunktion durch eine Reihe. Je höher die Zahl

ist, desto mehr Summanden werden in der Reihendefinition verwendet. So ist bei

neben der Sinusfunktion zusätzlich das kubische Polynom

eingezeichnet.
Durch den Übergang vom Winkelmaß zum
Bogenmaß können Sinus und Kosinus als
Funktionen von
nach
erklärt werden. Es kann nachgewiesen werden, dass sie beliebig oft differenzierbar sind. Für die Ableitungen im Nullpunkt gilt:
.
Die Wahl des Bogenmaßes führt dazu, dass hier die Werte
auftreten. Die sich daraus ergebenden
Taylorreihen stellen die Funktionen
und
dar, das heißt:


Reihenentwicklung in der Analysis
In der Analysis geht man von einer
Reihenentwicklung aus und leitet umgekehrt daraus alles her, indem die Funktionen sin und cos durch die oben angegebenen
Potenzreihen erklärt werden.
Mit dem
Quotientenkriterium lässt sich zeigen, dass diese Potenzreihen für jede
komplexe Zahl
absolut und in jeder
beschränkten Teilmenge der komplexen Zahlen
gleichmäßig konvergieren. Diese
unendlichen Reihen verallgemeinern die Definition des Sinus und des Kosinus von reellen auf komplexe Argumente. Auch
wird dort üblicherweise nicht geometrisch, sondern beispielsweise über die cos-Reihe und die Beziehung
als das Doppelte der kleinsten positiven Nullstelle der Kosinusfunktion definiert. Damit ist eine präzise analytische Definition von
gegeben.
Für kleine Werte zeigen diese Reihen ein sehr gutes Konvergenzverhalten. Zur
numerischen Berechnung lassen sich daher die Periodizität und
Symmetrie der Funktionen ausnutzen und der
-Wert bis auf den Bereich
bis
reduzieren. Danach sind für eine geforderte Genauigkeit nur noch wenige Glieder der Reihe zu berechnen. Das
Taylorpolynom der Kosinusfunktion bis zur vierten Potenz z. B. hat im Intervall
einen
relativen Fehler von unter 0,05 %. Im Artikel
Taylor-Formel sind einige dieser so genannten Taylorpolynome grafisch dargestellt und eine Näherungsformel mit Genauigkeitsangabe angegeben. Zu beachten ist allerdings, dass die Teilsummen der Taylorpolynome nicht die bestmögliche numerische Approximation darstellen; beispielsweise in
Abramowitz-Stegun finden sich Näherungspolynome mit noch kleinerem Approximationsfehler.
[3]
Beziehung zur Exponentialfunktion
Der Realteil von

ist

und der Imaginärteil ist

Die
trigonometrischen Funktionen sind eng mit der
Exponentialfunktion verbunden, wie folgende Rechnung zeigt:

Dabei wurde verwendet
sowie
Beziehung zwischen Sinus, Kosinus und Exponentialfunktion
Somit ergibt sich die sogenannte
Eulerformel
.
Für eine reelle Zahl
ist also
der
Realteil und
der
Imaginärteil der komplexen Zahl
.
Durch Ersetzung von
durch
ergibt sich:
.
Diese und die vorangegangenen Gleichungen lassen sich nach den trigonometrischen Funktionen auflösen. Es folgt:

und
.
Diese Gleichung gilt nicht nur für reelle Argumente, sondern für beliebige komplexe Zahlen. Somit ergibt sich eine alternative Definition für die Sinus- und Kosinusfunktion. Durch Einsetzen der Exponentialreihe leiten sich die oben vorgestellten Potenzreihen ab.
Ausgehend von dieser Definition lassen sich viele Eigenschaften, wie zum Beispiel die
Additionstheoreme des Sinus und Kosinus, nachweisen.
Definition über analytische Berechnung der Bogenlänge
Die Definition des Sinus und Kosinus als Potenzreihe liefert einen sehr bequemen Zugang, da die
Differenzierbarkeit durch die Definition als konvergente Potenzreihe automatisch gegeben ist. Die
Eulerformel ist ebenfalls eine einfache Konsequenz aus den Reihendefinitionen, da sich die Reihen für
und
ganz offenbar zur Exponentialfunktion zusammenfügen, wie oben gezeigt wurde. Durch Betrachtung der Funktion
, die das Intervall
auf die Kreislinie abbildet, ergibt sich die Beziehung zur Geometrie, denn
und
sind nichts weiter als der Real- bzw. Imaginärteil von
, das heißt die
Projektion dieses Punktes auf die Koordinatenachsen.
Neben
gibt es auch andere sinnvolle Parametrisierungen des Einheitskreises, etwa

Geht man von dieser Formel aus, erhält man einen alternativen Zugang. Die
Länge dieser
Kurve wird auch als Bogenlänge bezeichnet und berechnet sich als

Wie leicht zu zeigen ist, ist
ungerade,
stetig, streng
monoton wachsend und beschränkt. Da die gesamte Bogenlänge dem Kreisumfang entspricht, folgt, dass das Supremum von
gleich
ist;
wird bei dieser Vorgangsweise analytisch als
Supremum von
definiert.
Die Funktion

ist auch differenzierbar:
.
Weil sie stetig und streng monoton wachsend ist, ist sie auch invertierbar, und für die
Umkehrfunktion

gilt
.
Mit Hilfe dieser Umkehrfunktion
lassen sich nun Sinus und Kosinus als
- und
-Komponente von
analytisch definieren:

sowie
.
Bei dieser Definition des Sinus und Kosinus über die analytische Berechnung der Bogenlänge werden die geometrischen Begriffe sauber formalisiert. Sie hat allerdings den Nachteil, dass im didaktischen Aufbau der Analysis der Begriff der Bogenlänge erst sehr spät formal eingeführt wird und daher Sinus und Kosinus erst relativ spät verwendet werden können.
Definition als Lösung einer Funktionalgleichung
Ein anderer analytischer Zugang ist, Sinus und Kosinus als Lösung einer
Funktionalgleichung zu definieren, die im Wesentlichen aus den Additionstheoremen besteht: Gesucht ist ein Paar
stetiger Funktionen
, das für alle
die Gleichungen
und

erfüllt. Die Lösung
definiert dann den Sinus, die Lösung
den Kosinus. Um Eindeutigkeit zu erreichen, sind einige Zusatzbedingungen zu erfüllen. In Heuser, Lehrbuch der Analysis, Teil 1 wird zusätzlich gefordert, dass
eine
ungerade Funktion,
eine
gerade Funktion,
und

ist. Bei diesem Zugang wird offensichtlich die
Differenzierbarkeit des Sinus in 0 vorausgesetzt;
wird in weiterer Folge analytisch als das doppelte der kleinsten positiven Nullstelle des Kosinus definiert. Verwendet man den Zugang von
Leopold Vietoris
[4] und berechnet die Ableitung des Sinus aus den Additionstheoremen, so ist es zweckmäßiger,
auf geeignete Weise analytisch (beispielsweise als Hälfte des Grenzwerts des Umfangs des dem Einheitskreis eingeschriebenen
-Ecks) zu definieren und dann die Differenzierbarkeit der Lösung dieser Funktionalgleichung zu beweisen. Als Zusatzbedingung zu den Additionstheoremen fordert man dann beispielsweise
,
, und
für alle
.
Unter den gewählten Voraussetzungen ist die Eindeutigkeit der Lösung der Funktionalgleichung relativ einfach zu zeigen; die geometrisch definierten Funktionen Sinus und Kosinus lösen auch die Funktionalgleichung. Die Existenz einer Lösung lässt sich analytisch beispielsweise durch die Taylorreihen von Sinus und Kosinus oder eine andere der oben verwendeten analytischen Darstellungen von Sinus und Kosinus die Funktionalgleichung nachweisen und tatsächlich lösen.
Produktentwicklung




ist dabei im Bogenmaß anzugeben.
Multiplikationsformeln
Die folgenden Ausdrücke gelten für alle
:


Wertebereich und spezielle Funktionswerte
Zusammenhang zwischen Sinus und Kosinus
(
Gradmaß)
(
Bogenmaß)
(„
trigonometrischer Pythagoras“)
Insbesondere folgt daraus
und
. Diese Ungleichungen gelten aber nur für
reelle
Argumente
; für komplexe Argumente können Sinus und Kosinus beliebige Werte annehmen.
Verlauf des Sinus in den vier Quadranten
In den vier Quadranten ist der Verlauf der Sinusfunktion folgendermaßen:
Quadrant
|
Gradmaß
|
Bogenmaß
|
Bildmenge
|
Monotonie
|
Konvexität
|
Punkttyp
|
|
|
0
|
0
|
|
|
Nullstelle,
Wendepunkt
|
1. Quadrant
|
|
|
positiv:
|
steigend
|
konkav
|
|
|
|
|
1
|
|
|
Maximum
|
2. Quadrant
|
|
|
positiv:
|
fallend
|
konkav
|
|
|
|
|
0
|
|
|
Nullstelle,
Wendepunkt
|
3. Quadrant
|
|
|
negativ:
|
fallend
|
konvex
|
|
|
|
|
|
|
|
Minimum
|
4. Quadrant
|
|
|
negativ:
|
steigend
|
konvex
|
|
Für Argumente außerhalb dieses Bereiches ergibt sich der Wert des Sinus daraus, dass der Sinus periodisch mit der Periode 360° (bzw. 2π
rad) ist, d. h.
. Außerdem gilt
,
,
etc.
Verlauf des Kosinus in den vier Quadranten
Der Kosinus stellt einen um 90° (bzw. π/2
rad) phasenverschobenen Sinus dar und es gilt
.
In den vier Quadranten ist der Verlauf der Kosinusfunktion daher folgendermaßen:
Quadrant
|
Gradmaß
|
Bogenmaß
|
Bildmenge
|
Monotonie
|
Konvexität
|
Punkttyp
|
|
|
0
|
1
|
|
|
Maximum
|
1. Quadrant
|
|
|
positiv:
|
fallend
|
konkav
|
|
|
|
|
0
|
|
|
Nullstelle,
Wendepunkt
|
2. Quadrant
|
|
|
negativ:
|
fallend
|
konvex
|
|
|
|
|
|
|
|
Minimum
|
3. Quadrant
|
|
|
negativ:
|
steigend
|
konvex
|
|
|
|
|
|
|
|
Nullstelle,
Wendepunkt
|
4. Quadrant
|
|
|
positiv:
|
steigend
|
konkav
|
|
Für Argumente außerhalb dieses Bereiches lässt sich der Wert des Kosinus – so wie der des Sinus – periodisch mit der Periode 360° (bzw. 2π
rad) bestimmen, d. h.
. Außerdem gilt
.
Komplexes Argument
Der Sinus ist auch für komplexe Eingabewerte definiert. Da sowohl Ein- als auch Ausgabe eine Zahl auf einer
Ebene und nicht nur einem
Strahl sind, schlagen die Versuche eines klassischen Schaubildes fehl, bei dem Ein- und Ausgabe jeweils 1-dimensional war (

und

-Achse). Es kann aber mit Farben nachgeholfen werden: Ein beliebiger Punkt auf diesem Bild ist (ortstechnisch!) die Eingabe. Die angenommene Farbe symbolisiert über einen Farbschlüssel den Wert, den die Funktion annimmt. Die 0 ist schwarz, die Nullstellen

usw. des Sinus lassen sich ablesen.
Graph der komplexen Kosinusfunktion
Farbfunktion, die für die beiden obigen Bilder verwendet wurde
Für
komplexe Argumente kann man Sinus und Kosinus entweder über die Reihenentwicklung oder über die Formeln


definieren.
Für komplexe Argumente
gilt

und
,
was aus den
Additionstheoremen und den Zusammenhängen
sowie
hergeleitet werden kann, wobei
und
die
Hyperbelfunktionen
Sinus und Cosinus Hyperbolicus bezeichnen.
Sinus und Kosinus sind für reelle Argumente auf Werte aus dem
Intervall
beschränkt; im
Definitionsbereich der komplexen Zahlen
sind sie dagegen unbeschränkt, was aus dem
Satz von Liouville folgt. Sinus und Kosinus können für komplexe Argumente sogar beliebige reelle oder komplexe Werte annehmen.
Zum Beispiel ist

Für reelle
nimmt
diesen Wert aber nie an.
In den Bildern auf der rechten Seite gibt die Farbe den Winkel des Arguments an, die Farbintensität den Betrag, wobei volle Intensität für kleine Werte steht und bei großen Beträgen ein Übergang zu weiß stattfindet. Die genaue Zuordnung ergibt sich aus nebenstehendem Bild, das jeder komplexen Zahl eine Farbe und eine Intensität zuordnet. An den Bildern zu Sinus und Kosinus ist erkennbar, dass auch im Komplexen Periodizität in
-Richtung vorliegt (nicht aber in
-Richtung) und dass Sinus und Kosinus durch eine Verschiebung um
auseinander hervorgehen.
Wichtige Funktionswerte
Da Sinus und Kosinus
periodische Funktionen mit der Periode
(entspricht im Gradmaß
) sind, reicht es, die Funktionswerte der beiden trigonometrischen Funktionen für den Bereich
(entspricht dem Bereich
bis
) zu kennen. Funktionswerte außerhalb dieses Bereichs können also aufgrund der Periodizität durch den Zusammenhang

bestimmt werden. In Gradmaß lautet der Zusammenhang analog

Hierbei bezeichnet
eine
ganze Zahl. Die folgende Tabelle listet die wichtigen Funktionswerte der beiden trigonometrischen Funktionen in einer leicht zu merkenden Reihe auf.
[5]
Winkel (Grad)
|
Bogenmaß
|
Sinus
|
Kosinus
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Weitere wichtige Werte sind:
Winkel (Grad)
|
Bogenmaß
|
Sinus
|
Kosinus
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
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|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Beweisskizzen:
, weil das
rechtwinklige Dreieck im
Einheitskreis (mit der
Hypotenuse 1) dann
gleichschenklig ist, und nach
Pythagoras gilt
.
, weil das rechtwinklige Dreieck im Einheitskreis (mit der Hypotenuse 1) gespiegelt an der
-Achse dann gleichseitig ist (mit Seitenlänge 1), und somit die
Gegenkathete (Sinus) die halbe Seitenlänge beträgt.
, weil für das rechtwinklige Dreieck im Einheitskreis (mit der Hypotenuse 1) wegen
für den Cosinus nach Pythagoras gilt
.
, weil im
Pentagramm das Inverse des
Goldenen Schnitts auftritt, wobei der halbierte
Winkel in den Spitzen gleich 18° ist.
, weil im
regelmäßigen Fünfeck der
Goldene Schnitt auftritt, wobei der halbierte
Innenwinkel gleich 54° ist.
und
lassen sich mit Hilfe der
Halbwinkelformeln für Sinus und Kosinus herleiten.
Weitere mit Quadratwurzeln angebbare Funktionswerte
Über die
Berechnung der fünften Einheitswurzeln mittels einer quadratischen Gleichung ergibt sich
.
Mit Hilfe der
Additionstheoreme lassen sich viele weitere solche Ausdrücke berechnen wie beispielsweise die
Seitenlänge eines regulären Fünfecks über

und
, woraus folgt
.
Aus
und
lassen sich dann z. B.
und dann rekursiv auch alle
,
ermitteln.
Generell gilt, dass
und
genau dann explizit mit den vier
Grundrechenarten und
Quadratwurzeln darstellbar sind, wenn der Winkel
mit
Zirkel und Lineal konstruierbar ist, insbesondere also wenn
von der Gestalt

ist, wobei
,
und die
für
Fermatsche Primzahlen sind.
[6] In obigem Beispiel von
ist
und der Nenner gleich
.
Fixpunkte
Fixpunkt der Kosinusfunktion
Die
Fixpunktgleichung
besitzt

als einzige reelle Lösung.
Die Gleichung
hat als einzige reelle Lösung
(Folge
A003957 in
OEIS).
Die Lösung dieser Fixpunktgleichung wurde bereits 1748 von
Leonhard Euler untersucht.
[7] Sie ist ein einfaches Beispiel für einen nichttrivialen global
attraktiven Fixpunkt, das heißt die
Fixpunktiteration
konvergiert für jeden Startwert
gegen die Lösung. Mit dem
Satz von Lindemann-Weierstraß kann nachgewiesen werden, dass es sich dabei um eine
transzendente Zahl handelt. Diese
mathematische Konstante wird im englischen Sprachraum auch als Dottie number bezeichnet und mit dem
armenischen Buchstaben ա (
Ayb) abgekürzt.
[8]
Berechnung
Zur Berechnung von Sinus und Cosinus gibt es mehrere Verfahren. Die Wahl des Berechnungsverfahrens richtet sich nach Kriterien wie Genauigkeit, Geschwindigkeit der Berechnung und Leistungsfähigkeit der verwendeten
Hardware wie zum Beispiel
Mikrocontroller:
Die Tabellierung aller Werte ist angezeigt bei geschwindigkeitskritischen
Echtzeitsystemen, wenn diese nur eine recht kleine Winkelauflösung benötigen. CORDIC ist i. d. R. effizienter umsetzbar als die Taylor-Reihe und zudem besser
konditioniert.
Umkehrfunktion
Da sich zu einem gegebenen Wert
ein passender Winkel im ersten oder vierten Quadranten und zu einem gegebenen Wert
ein passender Winkel im ersten oder zweiten Quadranten konstruieren lässt, folgt aus diesen geometrischen Überlegungen, dass die Funktionen
![\begin{align}
\sin \colon &[-90^\circ, 90^\circ]&\to[-1,1]\\
\cos \colon &[0^\circ, 180^\circ]&\to[-1,1]
\end{align}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/f056fe996cb3704da1762027aeaf85e7e4b8e330)
Umkehrfunktionen besitzen. Die Umkehrfunktionen
![\begin{align}
\arcsin\colon [-1,1] &\to [-90^\circ, 90^\circ] \\
\arccos\colon [-1,1] &\to [0^\circ, 180^\circ]
\end{align}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/3c8d7b9f08cd6a81e5726386c366fe27d171eefa)
werden Arkussinus bzw. Arkuskosinus genannt. Der Name rührt daher, dass sich deren Wert nicht nur als Winkel, sondern auch als
Länge eines
Kreisbogens (Arcus bedeutet Bogen) interpretieren lässt.
In der Analysis ist die Verwendung des Bogenmaßes erforderlich, da die Winkelfunktionen dort für das Bogenmaß definiert sind.
Die Sinusfunktion
![{\displaystyle \sin \colon \left[-{\tfrac {\pi }{2}},{\tfrac {\pi }{2}}\right]\to [-1,1]}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/a51c3d16054379dfbc2623fe03f4661d685f79c3)
und die Kosinusfunktion
![\cos\colon [0, \pi]\to[-1,1]](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/03260dc8f35e58b93063770373814a38a1070fad)
sind auf den angegebenen Definitionsbereichen
streng monoton,
surjektiv und daher
invertierbar.
Die Umkehrfunktionen sind
![\begin{align}
\arcsin\colon [-1,1] &\to \left[-\tfrac{\pi}{2}, \tfrac{\pi}{2} \right] \\
\arccos\colon [-1,1] &\to \left[0, \pi \right]
\end{align}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/c5e778332d02203c8f55c3c77400d34e8fb7f6b3)
Eine andere Interpretation des Wertes als doppelter
Flächeninhalt des dazugehörigen
Kreissektors am Einheitskreis ist ebenfalls möglich; diese Interpretation ist insbesondere für die Analogie zwischen
Kreis- und Hyperbelfunktionen nützlich.
Zusammenhang mit dem Skalarprodukt
Der Kosinus steht in enger Beziehung mit dem
Standardskalarprodukt zweier
Vektoren
und
:

das Skalarprodukt ist also die Länge der Vektoren multipliziert mit dem Kosinus des eingeschlossenen Winkels.
In endlichdimensionalen Räumen lässt sich diese Beziehung aus dem
Kosinussatz ableiten. In abstrakten
Skalarprodukträumen wird über diese Beziehung der Winkel zwischen Vektoren definiert.
Zusammenhang mit dem Kreuzprodukt
Der Sinus steht in enger Beziehung mit dem Kreuzprodukt
zweier dreidimensionaler
Vektoren
und
:

Additionstheoreme
Die Additionstheoreme für Sinus und Kosinus lauten


Aus den Additionstheoremen folgt insbesondere für doppelte Winkel


Orthogonale Zerlegung
Die harmonische Schwingung

wird durch

in
orthogonale Komponenten zur Basis der harmonischen Schwingung

zerlegt.
und
sind
Effektivwerte,
und
Nullphasenwinkel. Ihre Differenz

heißt
Phasenverschiebungswinkel. Die Ableitung der Basisfunktion

läuft
um eine Viertelperiode voraus. Die in den Zerlegungskoeffizienten enthaltenen
Gleichwerte folgen aus einer modifizierten
Fourier-Analyse, bei der nicht die Sinus- und Kosinusfunktion, sondern
und
als Basis dienen. Durch Einsetzen der harmonischen Ansätze ergibt sich schließlich
.
Die Zerlegung gilt auch bei Ansatz von
und
mit der Kosinusfunktion.
Ableitung, Integration und Krümmung von Sinus und Kosinus
Ableitung
Wird
im Bogenmaß angegeben, so gilt für die Ableitung der Sinusfunktion
[9]

Aus
und der
Kettenregel erhält man die Ableitung des Kosinus:

und daraus schließlich auch alle höheren Ableitungen von Sinus und Kosinus


Wird der Winkel
in Grad gemessen, so kommt nach der
Kettenregel bei jeder Ableitung ein Faktor
dazu, also beispielsweise
. Um diese störenden Faktoren zu vermeiden, wird in der
Analysis der Winkel ausschließlich im Bogenmaß angegeben.
Stammfunktion
Aus den Ergebnissen über die Ableitung ergibt sich unmittelbar die
Stammfunktion von Sinus und Kosinus im Bogenmaß:


Krümmung
Die
Krümmung des
Graphen wird mit Hilfe der Formel

berechnet. Für
erhält man damit die Krümmungsfunktion
.
und für
entsprechend
.
An den
Wendepunkten ist die Krümmung gleich null. Dort hat die Krümmungsfunktion einen Vorzeichenwechsel. An der Stelle des Maximums ist die Krümmung gleich −1 und an der Stelle des Minimums gleich 1. Der
Krümmungskreis hat an den
Extrempunktem also jeweils den
Radius 1.
Anwendungen
Geometrie
Mit der Sinusfunktion können auch im nicht rechtwinkligen Dreieck Größen, speziell die Höhen, berechnet werden; ein Beispiel ist die Berechnung von
im Dreieck ABC bei gegebener Länge
und Winkel
:

Andere wichtige Anwendungen sind der
Sinussatz und der
Kosinussatz.
Fourierreihen
Im
Hilbertraum
der auf dem
Intervall
bezüglich des
Lebesgue-Maßes
quadratisch integrierbaren Funktionen bilden die Funktionen

ein vollständiges
Orthogonalsystem, das sogenannte trigonometrische System. Daher lassen sich alle Funktionen
als
Fourierreihe

darstellen, wobei die
Funktionenfolge
in der
L2-Norm gegen
konvergiert.
Informatik
In der
Informatik wird zur Erstellung von
Audiodateien (zum Beispiel im
Audioformat
MP3)
[10],
digitalen Bildern im
Grafikformat
JPEG
[11], Videodateien (zum Beispiel im
Containerformat
MP4 oder
WebM) die
diskrete Kosinustransformation oder die
modifizierte diskrete Kosinustransformation verwendet. Zum Abspielen oder Anzeigen solcher Dateien wird die inverse diskrete Kosinustransformation, also die
Umkehrfunktion verwendet.
[12] Bei der
digitalen Verarbeitung von
akustischen und
optischen Signalen wird unter anderem die
Schnelle Fourier-Transformation verwendet.
[13]
Physik
In der
Physik werden Sinus- und Kosinusfunktion zur Beschreibung von
Schwingungen verwendet. Insbesondere lassen sich durch die oben erwähnten
Fourierreihen beliebige periodische Signale als Summe von Sinus- und Kosinusfunktionen darstellen, siehe
Fourieranalyse.
Elektrotechnik
Leistungszeigerdiagramm und Phasenverschiebungswinkel bei sinusförmigen Spannungen und Strömen in der
komplexen Ebene
In der
Elektrotechnik sind häufig elektrische
Stromstärke
und
Spannung
sinusförmig. Wenn sie sich um einen
Phasenverschiebungswinkel
unterscheiden, dann unterscheidet sich die aus Stromstärke und Spannung gebildete
Scheinleistung
von der
Wirkleistung
.

Bei nicht sinusförmigen Größen (z. B. bei einem
Netzteil mit herkömmlichem
Brückengleichrichter am Eingang) entstehen
Oberschwingungen, bei denen sich kein einheitlicher Phasenverschiebungswinkel angeben lässt. Dann lässt sich zwar noch ein
Leistungsfaktor angeben

dieser Leistungsfaktor
darf aber mit
nicht verwechselt werden.
Siehe auch
Literatur
- I. N. Bronstein, K. A. Semendjajew:
Taschenbuch der Mathematik. 19. Auflage. B. G. Teubner Verlagsgesellschaft, Leipzig, 1979.
- Kurt Endl, Wolfgang Luh: Analysis I. Eine integrierte Darstellung. 7. Auflage. Aula-Verlag, Wiesbaden 1989.
-
Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis – Teil 1. 6. Auflage. Teubner, 1989.
Weblinks
Einzelnachweise
-
↑ J. Ruska: Zur Geschichte des „Sinus“. In: Zeitschrift für Mathematik und Physik. Teubner, Leipzig 1895. S. 126 ff. Auch online zugänglich:
Digitalisierungszentrum der Universität Göttingen.
-
↑ Josef Laub (Hrsg.) Lehrbuch der Mathematik für die Oberstufe der allgemeinbildenden höheren Schulen. 2. Band. 2. Auflage. Hölder-Pichler-Tempsky, Wien 1977,
ISBN 3-209-00159-6. S. 207.
-
↑
Milton Abramowitz,
Irene Stegun:
Handbook of Mathematical Functions. Dover Publications, New York 1964.
ISBN 0-486-61272-4,
(4.3.96–4.3.99)
-
↑ Leopold Vietoris: Vom Grenzwert
. In: Elemente der Mathematik. Band 12, 1957.
-
↑ Georg Hoever: Höhere Mathematik kompakt. Springer Spektrum, Berlin Heidelberg 2014,
ISBN 978-3-662-43994-4 (
eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
-
↑
Emil Artin: Galoissche Theorie. Verlag Harri Deutsch, Zürich 1973,
ISBN 3-87144-167-8, S. 85.
-
↑
Leonhard Euler: Introductio in analysin infinitorum. Band 2. Marc Michel Bousquet, Lausanne 1748, S. 306–308.
-
↑
Eric W. Weisstein:
Dottie number. In:
MathWorld (englisch).
-
↑
Wikibooks: Beweisarchiv: Analysis: Differentialrechnung: Differentiation der Sinusfunktion
-
↑ Joebert S. Jacaba:
AUDIO COMPRESSION USING MODIFIEDDISCRETE COSINE TRANSFORM: THE MP3 CODING STANDARD
-
↑ International Telecommunication Union:
INFORMATION TECHNOLOGY – DIGITAL COMPRESSION AND CODING OF CONTINUOUS-TONE STILL IMAGES – REQUIREMENTS AND GUIDELINES
-
↑ ITwissen, Klaus Lipinski:
Videokompression
-
↑ Tomas Sauer, Justus-Liebig-Universität Gießen:
Digitale Signalverarbeitung