Presidentâs rule Information
Presidentâs rule ( engl. wörtlich âRegierung des PrĂ€sidentenâ) ist ein Terminus aus der indischen Innenpolitik, der die Ăbernahme der Regierungsgewalt ( Exekutive) eines Bundesstaats durch den PrĂ€sidenten der Republik im Falle eines regionalen Notstandes beschreibt. Der indische Bundesstaat Jammu und Kashmir bildete einen Sonderfall. Aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Sonderstellung gab es hier keine presidentâs rule. Stattdessen konnte der jeweilige Gouverneur nach Zustimmung des indischen PrĂ€sidenten governorâs rule verkĂŒnden. In der Praxis entsprach diese der presidentâs rule in anderen Bundesstaaten.
Presidentâs rule in der indischen Verfassung
Die Presidentâs rule wird durch Artikel 356 der indischen Verfassung geregelt. Darin ist vorgesehen, dass der PrĂ€sident die Regierung eines Bundesstaats entlassen kann, sofern er diese unter den Bedingungen der indischen Verfassung fĂŒr nicht mehr tragbar erachtet. Der PrĂ€sident ĂŒbernimmt dann alle oder einige Funktionen der Staatenregierung sowie alle oder einige Befugnisse des Gouverneurs (Governor) oder von Organen und Einrichtungen des Bundesstaats, mit Ausnahme des Parlaments. Weiterhin kann er alle MaĂnahmen ergreifen, die er fĂŒr die Beseitigung der UmstĂ€nde, die zur EinfĂŒhrung der Presidentâs rule gefĂŒhrt haben, fĂŒr notwendig hĂ€lt. Dazu gehört auch die AuĂerkraftsetzung der indischen Verfassung oder einzelner Bestimmung davon. Die Kompetenzen des Parlaments des Bundesstaats werden auf das indische Parlament ĂŒbertragen.
Eine solche Entscheidung darf der PrĂ€sident allerdings nur treffen, falls ihm ein Bericht vorliegt, in dem ihn der Gouverneur des entsprechenden Bundesstaats ausfĂŒhrlich von der politischen Lage in Kenntnis setzt und zur EinfĂŒhrung der Presidentâs rule rĂ€t. Zudem bedarf die Presidentâs rule innerhalb von zwei Monaten nach EinfĂŒhrung der Zustimmung beider Kammern des indischen Parlaments ( Lok Sabha und Rajya Sabha); andernfalls endet sie automatisch, und die alte Regierung des Bundesstaats wird wieder eingesetzt. Stimmt das Parlament zu, so kann die Presidentâs rule durch eine Proklamation des PrĂ€sidenten aufgehoben werden, endet aber in jedem Falle spĂ€testens sechs Monate nach EinfĂŒhrung, sofern nicht beide Kammern des indischen Parlaments einer VerlĂ€ngerung um weitere sechs Monate zugestimmt haben. Eine VerlĂ€ngerung der Presidentâs rule ĂŒber einen Zeitraum von einem Jahr seit ihrer EinfĂŒhrung hinaus darf das Parlament nur dann bewilligen, wenn auf nationaler Ebene, in dem entsprechenden Bundesstaat oder in Teilen dieses Bundesstaats der Ausnahmezustand gilt oder wenn die indische Wahlkommission (Election Commission) bestĂ€tigt, dass die ordnungsgemĂ€Ăe DurchfĂŒhrung von Neuwahlen in dem entsprechenden Bundesstaat nicht gewĂ€hrleistet werden kann. Insgesamt darf die Presidentâs rule nicht lĂ€nger als drei Jahre aufrechterhalten werden.
Presidentâs rule in der Praxis
In der Praxis wird die Exekutive bei Anwendung der Presidentâs rule vom PrĂ€sidenten auf den Gouverneur des entsprechenden Bundesstaats ĂŒbertragen. Der vom PrĂ€sidenten ernannte Gouverneur, dem normalerweise nur reprĂ€sentative Aufgaben zukommen, ĂŒbernimmt dann die AmtsgeschĂ€fte des Chief Ministers. UrsprĂŒnglich als Notstandsartikel im Falle innerer Unruhen oder vergleichbarer bedrohlicher ZustĂ€nde in die indische Verfassung von 1950 aufgenommen, kam der Artikel 356 bisher (Stand: August 2007) bereits ĂŒber 100-mal zum Einsatz. [1] Der Bundesstaat Punjab wurde in Folge bĂŒrgerkriegsĂ€hnlicher ZusammenstöĂe zwischen extremistischen Sikhs, die die Schaffung eines unabhĂ€ngigen Sikh-Staates forderten, und der Staatsmacht fĂŒnf Jahre lang (1987 bis 1992) unter Presidentâs rule regiert. Absatz 5 des Artikels 356 der indischen Verfassung sieht hierfĂŒr eine Sonderklausel vor.
Allerdings diente die Presidentâs rule in mehreren FĂ€llen nicht nur der BewĂ€ltigung ernsthafter politischer Krisen, sondern auch um politische Gegner der Zentralregierung in Bundesstaaten aus der Regierung zu entfernen oder deren Regierungsantritt zu verhindern. [2] Umgekehrt versĂ€umte es der Gouverneur des Staates Gujarat wĂ€hrend der blutigen ZusammenstöĂe zwischen Hindus und Muslimen im Jahre 2002, die EinfĂŒhrung der Presidentâs rule zu fordern, um ein effektiveres Vorgehen gegen die Unruhen zu ermöglichen. Zu jenem Zeitpunkt regierte sowohl in Gujarat als auch auf nationaler Ebene die hindu-nationalistische Bharatiya Janata Party (BJP). Kritiker der Presidentâs rule sehen den Artikel 356 daher als Gefahr fĂŒr das föderale System Indiens. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass der Gouverneur eines Bundesstaats keiner echten demokratischen Kontrolle unterliegt, da er vom PrĂ€sidenten ernannt wird und auch nur von diesem abberufen werden kann. Zudem ist eine Anklage wegen Amtsmissbrauchs zur Amtsenthebung (im englischsprachigen Raum Impeachment) gegen den Gouverneur nicht möglich.
Einzelnachweise
- â World Statesmen: States of India since 1947
- â K. Jayasudha Reddy, Joy V. Joseph: Executive Discretion and Article 356 of the Constitution of India: A Comparative Critique, Abschnitt 8: The current situation